Digitales Teamwork geht zulasten von Kreativität
Gezwungenermaßen haben die meisten Unternehmen während der Corona-Pandemie auf das Arbeiten aus dem Homeoffice heraus gesetzt. Manche von ihnen haben damit so gute Erfahrungen gemacht, dass sie ihren Mitarbeitern fortan deutlich mehr Flexibilität anbieten, was ihren Arbeitsplatz anbelangt. Arbeiten im Büro? Von zu Hause aus? Der Ferienwohnung am See? Vieles ist möglich geworden und eine große Zahl von Mitarbeitern weiß digitales Teamwork mittlerweile sehr zu schätzen. So gaben vergangenes Jahr bei einer Umfrage 75 % der US-Beschäftigten an, dass sie mindestens einen Tag pro Woche von zu Hause aus arbeiten möchten, und 40 % der Beschäftigten gaben an, dass sie einen Arbeitsplatz aufgeben würden, wenn der eine Vollzeitbeschäftigung vor Ort erfordert.
Doch wie wirkt sich die Verlagerung zur Telearbeit auf wesentliche Aufgaben am Arbeitsplatz aus – insbesondere auf die kollaborative Ideenfindung? Dieser Frage sind jetzt Melanie Brucks von der Columbia University in New York und Jonathan Levav von der Stanford University in Kalifornien nachgegangen. Die Studie, in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht, kommt zu dem Schluss, dass digitales Teamwork an Kreativität kranken lässt.
Insgesamt haben die Forscher rund 600 Studenten und rund 1.500 Angestellte eines multinationalen Telekommunikations-Konzerns in fünf verschiedenen Ländern für ihre Studie getestet. Zufällig zusammengewürfelte Testpaare mussten für eine Aufgabe kreative Lösungsansätze entwickeln.
Während die Hälfte der Testpaare sich ganz klassisch für den Austausch über kreative Lösungen traf, konnte sich die andere Hälfte der Testpersonen nur über eine Videokonferenz zusammenschalten. Schließlich wurde ermittelt, wie viele Ideen die Testpaare jeweils entwickelten und auch, welche von ihnen dahingehend eingeordnet wurden, dass es sich lohnen würde, ihnen nachzugehen. Außerdem stufte ein Gremium ein, wie kreativ die einzelnen gefundenen Lösungen waren – ohne dass es wusste, ob diese via Videokonferenz oder bei einem persönlichen Treffen zustande gekommen waren.
Das Ergebnis war in allen fünf Ländern eindeutig: Die Teams, die sich persönlich austauschen konnten, kamen auf eine signifikant höhere Anzahl an Ideen als die virtuell kooperierenden Teams. Außerdem wurden ihre Ideen als deutlich kreativer eingestuft. „Unsere Resultate liefern Belege dafür, dass die virtuelle Interaktion die Ideenfindung eher hemmt“, resümieren die Forscher.
Doch wo liegen die Gründe dafür? Die Tests von Brucks und Levav legen nahe, dass es weder am sprachlichen Austausch noch am mangelnden Vertrauen liegt. Die Forscher bemerkten jedoch, dass die analog kooperierenden Teams beim Nachdenken und während der Teamarbeit häufiger den Blick einfach schweifen ließen. Die Teampaare, die über den Bildschirm miteinander arbeiteten, konzentrierten sich stattdessen auf den Monitor und sahen sehr viel weniger umher.
Periphere Reize wurden von den Teilnehmern der Videokonferenz zu einem hohen Grad ausgeblendet. Die Teampartner verengten „ihren visuellen Bereich auf die gemeinsame Umgebung eines Bildschirms, was wiederum zu einer Verengung ihres kognitiven Fokus führt. Dieser verengte Fokus schränkt den assoziativen Prozess ein, der der Ideengenerierung zugrunde liegt, bei der sich Gedanken ‚verzweigen‘ und disparate Informationen aktivieren, die dann zu neuen Ideen kombiniert werden“, schreiben die Forscher. Als Folge wird die kreative Ideenfindung gehemmt.
Schließlich weisen Brucks und Levav in ihrer Studie aber auch darauf hin, dass sie keinen Hinweis darauf fanden, „dass Videokonferenzgruppen bei der Ideenauswahl weniger effektiv sind.“
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Grenzgänger | Experte für Motivation und Team-Development
Extrem-Speedbergsteiger & CEO von Dynafit
Ehemaliger Verkehrspilot der Deutschen Lufthansa